Das Ende des zweiten Ausbildungssemesters nähert sich in großen Schritten. Bald beginnt das letzte Drittel, der Endspurt. Kurz vor den Sommerferien waren auf einmal wieder 25 Kinder im Klassenraum. Dieser Zustand war für mich mehr als ungewohnt. Es fühlte sich in den ersten Tagen sogar falsch an, dass sich so viele Kinder gleichzeitig in einem Raum befanden und nur von einer Lehrkraft betreut wurden. Es erschien mir schlagartig eine irrwitzig schlechte Idee zu sein, irgendwie fahrlässig. Und ich glaube, mit dem Gefühl war ich nicht allein.

Nähere Informationen zum Aufbau des Referendariats an Berliner Grundschulen befinden sich in der Übersicht.

Wir sind alle ferienreif

So anstrengend der Wechselunterricht für uns alle war, er hatte einen entscheidenden Vorteil: kleine Lerngruppen. Nun lernen wieder alle Kinder gemeinsam und die vorgeschriebenen Abstandsregelungen werden zu einer noch größeren Farce als sie ohnehin schon für Grundschulkinder waren.

Die gestiegene Lautstärke und Unruhe im Raum lassen in mir eine lange vergessene Ungeduld wieder aufbrodeln, sodass ich öfter laut werde und anschließend gefrustet bin, weil ich weiß, dass ich gerade den unelegantesten aller Wege eingeschlagen habe. Liegt es wirklich nur an der gestiegenen Anzahl von Kindern, dass der Unterricht von den meisten Lehrkräften gerade als besonders herausfordernd wahrgenommen wird? Ich denke nicht.

Kinder mit Masken in der Schule

Das gesamte Schuljahr war nicht nur für die Lehrkräfte, sondern vor allem für die Kinder sehr belastend, weil sie durch die vielen wechselnden Strukturen und Einschränkungen keine Chance hatten, sich im Lernort Schule zurechtzufinden. Unsere “Erstis” wissen eigentlich gar nicht, was Schule bedeutet. Und die “Zweitis” haben nun auch ihr zweites Corona-Schuljahr hinter sich, in dem nichts so lief, wie es unter “normalen” Umständen gelaufen wäre. All das, was Schule neben dem fachlichen Input ausmacht und was als Kernstück pädagogischer Arbeit gilt (Rituale, soziales Lernen etc.), haben die Kids nur vereinzelt kennengelernt. Das hinterlässt Spuren.

Und hinzu kommt: Wir sind alle ferienreif. Wir alle brauchen eine Pause, Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Viele im Kollegium nutzen die letzten Tage vor den Ferien für kleine gemeinsame Ausflüge mit ihren Lerngruppen, um zumindest einen kleinen Teil von dem aufzuholen, was uns allen so lange gefehlt hat.

Zeugnisse

Der Zeugnismarathon endet bald und jede Lehrkraft an der Schule arbeitet auf Hochtouren an den Leistungsbeurteilungen. Ich persönlich hatte dankbarerweise nur einen kleinen Teil zu den Zeugnisbewertungen beizutragen und blieb dementsprechend von der Stresswelle verschont.

An meiner Ausbildungsschule erhalten die Kinder der Jahrgangsstufen 1 bis 3 keine Ziffernnoten, sondern verbale Beurteilungen in Textform. Kinder der 5. und 6. Jahrgangsstufe erhalten Ziffernzeugnisse. Bei Kindern in der 4. Jahrgangsstufe wird am Anfang des Schuljahres gemeinsam mit den Eltern abgestimmt, ob für das laufende Schuljahr an den verbalen Beurteilungen festgehalten wird oder Ziffernzeugnisse erteilt werden, was vor allem für die Kinder relevant ist, die bereits nach der 4. Klasse auf ein Gymnasium wechseln möchten. Von den meisten Lehrkräften werden die Verbalzeugnisse empfohlen, weil ausformulierte Sätze zu den Stärken und Schwächen des Kindes für gewöhnlich aussagekräftiger sind als stumme Ziffern, deren Zustandekommen sich meist auch nur mit weiteren Ziffern belegen lässt.

Eine ausführliche verbale Beurteilung sollte nicht nur ergebnis-, sondern prozessorientiert gestaltet sein und pauschale Aussagen durch persönliche Details ersetzen. Allerdings kann das angesichts des hohen Schreib- und Zeitaufwands nicht immer realisiert werden. Die Beurteilung sollte besonders gelungene Lernprodukte hervorheben und individuelle Lernprozesse skizzieren. Außerdem sollte das verbale Zeugnis Lernlücken oder nicht erreichte Lernziele nicht ohne Möglichkeiten zur Förderung thematisieren, um das diagnostische Potential zu nutzen und dem Kind durch wertschätzende Formulierungen Zuversicht schenken, dass es die gesetzten Lernziele erreichen kann, um das motivationale Potential auszuschöpfen.

Zeugnis am Ende des Schuljahres

Manche Schulen arbeiten mit Indikatorenzeugnissen, in welchen relevante Teilkompetenzen kriteriengeleitet und tabellarisch aufgeschlüsselt werden. Ich halte diese Form grundsätzlich für sehr sinnvoll und aufschlussreich für alle Beteiligten, da sich die Kompetenzen am Rahmenlehrplan orientieren und die Ausprägung der einzelnen Kompetenzen mittels einer vierstufigen Skala eingeschätzt werden kann, was einen guten Überblick über das Können und mögliche Förderschwerpunkte des Kindes bietet. Musterbeispiele für Indikatorenzeugnisse sind unter anderem im Schulrundschreiben der Berliner Senatsverwaltung enthalten.[1] Diese Form des Zeugnisses kann als Alternative zur verbalen Beurteilung definiert werden und muss Raum für Anschlusskommunikation ermöglichen. Das Gespräch mit dem Kind und den jeweiligen Erziehungsberechtigten sollte zeitnah zur Zeugnisausgabe erfolgen können, um bei Bedarf bestimmte Beurteilungsgrundlagen durch Beispiele zu verdeutlichen, Verständnisprobleme zu klären und weiterführende Fragen zu beantworten.

Das zweite Semester ist geschafft!

Für die Abschlusssitzungen der vier Seminare war es uns möglich, uns im Freien – also “live” – als Seminargruppe zu treffen, anstatt uns mit schlechter Tonqualität über einen Bildschirm anzustarren. In Parks, Cafés und Schulgärten entstand so eine ganz angenehme Atmosphäre und ein kleines bisschen Normalität. Die letzten Gutachten wurden besprochen und unterschrieben, Fragen zur Prüfung beantwortet und dann war nach langer Zeit mal wieder Raum für Austausch. Letzteres empfinde ich immer als sehr bereichernd, weil man die seltene Chance bekommt, sich umzuhören, wie Dinge, die man nur von seiner Ausbildungsschule kennt, an anderen Schulen laufen und herausfinden kann, wen aus der Gruppe eventuell ähnliche Gedanken plagen wie einen selbst. So fühlt man sich weniger allein auf dieser reizüberflutenden Reise in den Berufseinstieg.

Bevor es in die Sommerferien ging, wurden die Termine für die unterrichtspraktische Staatsprüfung festgelegt, die den krönenden Abschluss des Referendariats darstellt. Ab Mitte November beginnt in Berlin der Prüfungszeitraum. Die meisten – so auch ich – entschieden sich dafür, die Prüfung vor den Weihnachtsferien hinter sich zu bringen, um sich über die Feiertage etwas entspannen zu können. Ich lasse mich in Deutsch (Klasse 1-3) und Mathe (Klasse 4-6) prüfen und werde in einem späteren Bericht detaillierter auf den Ablauf und die Rahmenbedingungen der Staatsprüfung eingehen.

Sommerferien

Als angehende Lehrkraft ist die Freude auf die Sommerferien noch größer geworden. Dabei weiß ich, dass mir von den ominösen sechs Wochen am Ende maximal drei Wochen übrig bleiben werden, weil einfach noch zu viel getan werden muss. Weiterhin enden die Sommerferien für Lehrkräfte immer eine Woche früher, weil in der Woche vor dem Schulstart die Präsenztage in der Schule stattfinden, wo sich alle pädagogischen Fachkräfte von morgens bis nachmittags treffen, um relevante Themen für das neue Schuljahr zu besprechen. Das sagt einem ja vorher auch niemand…

Meine Hauptaufgabe in den Ferien wird es sein, meine Modulprüfung zu schreiben und das neue Schulhalbjahr zumindest in groben Zügen zu planen. Aber vielleicht bleibt am Ende ja doch mehr Freizeit als gedacht.

Medium des Monats

Der Classroom-Screen ist nicht neu für mich, aber ein Tool, das wegen seiner Praktikabilität allen Lehrkräften bekannt sein sollte.[2] Um die App über den Browser nutzen zu können, sollte im Klassenraum ein Smartboard (oder Beamer) mit Internetzugang vorhanden sein. Sind diese Rahmenbedingungen gegeben, ist die App eine sehr nützliche Begleitung im Schulalltag.

Auf dem zunächst leeren Board befindet sich eine Toolbar, die viele verschiedene Funktionen beherbergt, unter anderem unterschiedliche Uhren (inklusive Stoppuhr und Timer für Arbeitsphasen), einen Kalender, ein Text- und Malfeld (u.a. für Arbeitsanweisungen nutzbar), Zufallsfunktionen (Würfel und Personen) und einen Dezibelmesser, der die Lautstärke im Raum misst und ab einer festgelegten Grenze ein Signal von sich gibt. Solche Tools verleiten Kinder grundsätzlich erst mal dazu, die Funktionen ausgiebig zu testen, indem sie verschiedenste Geräusche machen und es zunehmend lauter wird. Dafür empfiehlt es sich, den Kids eine einminütige Ausprobierphase anzubieten (der Timer dafür kann direkt auf dem Screen eingestellt werden), in der sie ihrem spielerischen Drang nachkommen dürfen. Danach sollten die Lernenden die Dezibel-Funktion nicht mehr als Spiel begreifen und bei Bedarf eine gemeinsame Regel bzw. Konsequenz vereinbaren, falls sich manche Kinder nicht daran halten.

Classroom Screen Module

Besonders in den kalten Wintermonaten wurde der Classroom-Screen in meinem Unterricht für den Countdown zum Lüften genutzt: Ein Timer wird auf 20 Minuten eingestellt und wenn das Signal ertönt, wissen die Kids, dass es mal wieder Zeit fürs Durchlüften ist. Während des Lüftens läuft der zweite Timer, der auf 5 Minuten eingestellt ist. Nach Ablauf der Zeit werden die Fenster wieder geschlossen und das Spiel beginnt von vorne. Dabei empfiehlt es sich, täglich wechselnde “Lüftungsbeauftragte” in der Klasse festzulegen, um zu verhindern, dass sich alle Lernenden vom Signal angesprochen fühlen und ihren Lernprozess unterbrechen.

Ratschläge und Leitsätze für alle Lehrkraft-Neulinge

In den Episoden 7 bis 10 geht es um Dinge, die man als Lehrkraft vermeiden sollte. Die Ratschläge stammen von meinen Seminarleitungen und wurden demnach ausschließlich von Personen mit langjähriger Praxiserfahrung geäußert. Mir persönlich haben sie schon oft geholfen, weswegen ich sie gerne teile.

No Gos als Lehrkraft

  • Einfach nur beobachten: Das ist nie eine gute Idee, da am Ende dieser Beobachtung oft keine wertvollen Rückschlüsse für bestimmte Kernbereiche abgeleitet werden können und die Beobachtung somit ins Leere ging. Stattdessen sollte man sich gezielte Schwerpunkte auswählen, die beobachtet werden (z.B. Kooperationsfähigkeit in Gruppenarbeiten, Einhaltung der Gesprächsregeln oder Fähigkeit zum eigenständigen Arbeiten) und dazu ein paar kompetenzorientierte Kriterien formulieren. So werden Beobachtungen konkreter, objektiver und sind beispielsweise für ein Lernentwicklungsgespräch als Bewertungsgrundlage verwendbar.
  • Arbeitsauftrag laut vorlesen lassen: Damit auch wirklich kein Kind sagen kann, es wisse nicht, was es machen solle, liest häufig ein freiwilliges Kind den Arbeitsauftrag laut für alle vor und anschließend können Fragen geklärt werden. Das laute Vorlesen ist jedoch nicht zielführend, weil dadurch nicht das sinnerfassende Lesen gefördert wird (Inhalt), sondern das laute Vorlesen an sich (Performanz). Das Kind, das vorliest, weiß danach oft nicht, was es gelesen hat, weil es sich auf das fehlerfreie Vorlesen konzentrieren musste. Das kennen wahrscheinlich alle aus ihrer eigenen Schulzeit. Und diejenigen, die nicht lesen, aber zuhören müssen, hören meist nicht auf den Inhalt des Gelesenen, sondern auf die Art und Weise, wie es gelesen wurde und können den Inhalt demnach ebenfalls oft nicht wiedergeben. Also was tun? Die Lösung ist einfacher als gedacht: Jedes Kind liest den Arbeitsauftrag leise für sich und danach können Fragen geklärt werden. Dazu ist es in höheren Jahrgängen nicht notwendig, dass der Auftrag nochmal laut in eigenen Worten wiederholt wird, allerdings ist das für jüngere Jahrgänge ein guter Einstieg in das eigenständige Verstehen und Erarbeiten von Arbeitsaufträgen. Ziel ist unter anderem die Förderung des Bewusstseins, dass jedes Kind für seinen eigenen Lernprozess verantwortlich ist. Zur Sicherstellung des Verständnisses sollte die Lehrkraft nicht fragen: “Gibt es noch Fragen zur Aufgabe?”, sondern stattdessen konkrete, auf die Aufgabe zugeschnittene Fragen stellen (z.B.: “Was musst du machen, wenn du Aufgabe 1a) bearbeitet hast?”), um Verständnisprobleme sichtbar zu machen.

Was zu sagen bleibt…

Und jetzt: Ab in die Sommerferien und Kopf ausschalten. Mal sehen, wie mir das gelingt… Im nächsten Bericht erzähle ich vom Schulbetrieb in den ersten Wochen nach den Ferien und berichte von meiner ersten Klassenfahrt als Erwachsene. Bis dahin schließe ich mit den Worten des großen Tagebuchschreibers Bert:

“Alles ok, Kartoffelpüree!” [3]

 


[1] Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2007): Schul-Rundschreiben Nr. 17 / 2007. Dagmar Wilde. Berlin

[2] Classroom Screen (App)

[3] Jacobsson u. Olsson (1996): Berts gesammelte Katastrophen. Oetinger Verlag.

Autorin: Carla

Für etwa drei Jahre schrieb ich Artikel für das phase6 Magazin und das Lehrkräfte Magazin. Mit besonderer Vorliebe widmete ich mich dabei spannenden Themen der pädagogischen Psychologie in Theorie und Praxis. Während meines Referendariats an einer Berliner Grundschule schrieb ich Erfahrungsberichte und gab einen Einblick in meinen Schul- und Ausbildungsalltag. Mittlerweile befinde ich mich in der turbulenten Berufseinstiegsphase und darf eine jahrgangsgemischte Lerngruppe an einer montessori-orientierten Grundschule in Berlin unterrichten.