Wälder bieten vielfältige Möglichkeiten, forschend-entdeckend zu lernen und sich in Achtsamkeit zu üben. Während meiner Klassenfahrt mit Kindern der 4. bis 6. Jahrgangsstufe übernachteten wir in Tipis mitten im Wald. Die Tage wurden organisiert und geleitet von sympathischen Scouts der “Wildnisschule Wildniswissen”[1] in Berlin, die ein tolles Programm auf die Beine gestellt haben. Einen kleinen Ausschnitt dieses Programms teile ich in diesem Beitrag.

Viele der vorgestellten Aktivitäten lassen sich durchaus auf Tagesausflügen mit der eigenen Schulklasse durchführen, allerdings lege ich allen Klassenlehrkräften eine mehrtägige Klassenfahrt zu einem der Standorte der Wildnisschule Wildniswissen sehr ans Herz! Denn für die wahren Highlights, wie das Glutbrennen und das Spiel “Fire-Stalking”, braucht es mehrere und bestenfalls erfahrene Aufsichtspersonen. Außerdem können die Lernenden auf diese Weise den Wald besonders intensiv erleben und von dem fachlichen und pädagogischen Know-how der Scouts profitieren. 

Die dort gelernten Rituale können im ganzen Schuljahr beibehalten werden, indem zum Beispiel mindestens ein Tag im Monat als “Waldtag” ritualisiert wird.  

Räucherritual im Morgenkreis

Wann und wo? 

Morgens, im Sitzkreis (mit Sitzunterlagen)

Was wird benötigt?

  • eine feuerfeste Schale (z.B. eine Muschelschale)
  • getrocknete Kräuter zum Räuchern (z.B. weißer Salbei) 
  • Streichhölzer
  • Lieder (z.B. indigene Volkslieder, die die Herkunft des Rituals unterstreichen)
Räucherritual

Wie wirds gemacht? 

Jeden Morgen nach dem Frühstück begann das Programm der Wildnisscouts. Die Gruppe traf sich zum Einstieg im Sitzkreis und machte zunächst eine aktivierende Übung, zum Beispiel Body-Percussion mit aufsteigendem Schwierigkeitslevel oder Fangen. 

Anschließend trafen wir uns wieder im Sitzkreis und mit dem Räucher-Ritual kehrte Ruhe in die Gruppe ein. Der “Chef-Scout” gab etwas weißen Salbei in zwei Muschelschalen, zwei Kinder zündeten den Salbei mit einem Streichholz an, sodass er wie ein Räucherstäbchen glühte. Er stimmte indigene Lieder an, sang jede Zeile vor und die Gruppe sang Zeile für Zeile nach. Die Muschelschale wanderte nun bedächtig im Kreis herum, sodass sich alle mit dem Salbeirauch umgeben konnten. Der Rauch soll praktischerweise Insekten fernhalten, hat darüber hinaus aber auch tiefere Bedeutungen, unter anderem die Vertreibung böser Geister. Die Ursprünge dieser Lieder und Rituale wurden vom “Chef-Scout” an passenden Stellen erzählt und mit persönlichen Anekdoten verbunden. Alle lauschten gespannt. 

 

Lagerfeuer machen (Wie baut man ein Tipifeuer?)

Wann und wo? 

Tagsüber, möglichst bei schönem Wetter 

Was wird benötigt?

  • eine geeignete Feuerstelle 
  • Reisig, trocken
  • Birkenrinde, trocken (wird als Anzünder verwendet)
  • viele weitere dünne und ein paar dickere Stöcke, trocken (1-2 Finger dick)
  • Streichhölzer 
Tipifeuer

Wie wirds gemacht? 

Die Lerngruppe wurde in Kleingruppen aufgeteilt, die sich mit ausreichend Abstand auf dem Gelände verteilten. Jede Gruppe bekam einen bestimmten Platz auf dem sandigen Boden zugewiesen, auf dem sie ihre Tipifeuer errichten sollten. Nachdem besprochen wurde, welche Materialien wir zum Feuermachen brauchen, ging es in den uns umgebenden Wald auf die Suche nach geeignetem Feuerholz und Birkenrinde.

Zurück an der markierten Feuerstelle musste nun ein Tipi aus immer dicker werdenden Stöcken gebaut werden. An einer Seite musste das Tipi eine Öffnung haben, in die Reisig und Birkenrinde als Brandbeschleuniger gelegt werden. 

Sobald alle Gruppen fertig waren, durfte jede Gruppe nacheinander versuchen, ihr Feuer mit nur einem Streichholz zu entfachen. Manche Gruppen schafften es auf Anhieb, andere brauchten mehrere Anläufe und mussten ihr Tipi teilweise optimieren, damit es klappte. War das Feuer erst mal entfacht, war es die Aufgabe der Gruppen, es für eine Weile am Leben zu erhalten. Dafür mussten die Kinder teilweise weiteres Brennholz besorgen. Jede Gruppe war hochmotiviert bei der Sache – ich auch! 

Stockbrot machen

Wann und wo?

Abends ist es besonders schön, natürlich am Lagerfeuer

Was wird benötigt?

  • ein Lagerfeuer mit ausreichend Glut
  • pro Person einen angespitzten Stock
  • Stockbrot-Teig
Stockbrot machen

Wie wirds gemacht? 

Der Teig für das Stockbrot musste zuerst vorbereitet werden. Als nächstes suchten wir geeignete Stöcke und schnitzten sie zurecht. Was ich bei meinem Stock nicht bedacht hatte: Er sollte möglichst gerade sein, damit man ihn drehen kann, ohne einen großen Radius dafür zu benötigen, denn sonst landet der Teig gerne mal in der Glut. Anfängerfehler. Jedes Kind hatte sein eigenes (Kinder-)Taschenmesser mit. Alle Messer wurden von der Klassenlehrerin eingesammelt und sicher verwahrt und durften während der Benutzung (in Sichtweite) nicht untereinander weitergegeben werden, damit wir den Überblick behalten. 

Nicht nur Stöcke, sondern auch Feuerholz musste gesammelt werden und zwar eine Menge. Dafür wurden alle Hände benötigt. Das Feuer wurde entfacht und sobald ausreichend Glut vorhanden war, konnte es losgehen.

Für das Stockbrot formten wir kleine Teigkugeln zu einer Wurst, die wir spiralförmig um die Spitze des Stocks wickelten. Diese sollte mit Teig bedeckt sein, damit sie nicht anbrennt und den Teig mit verkohlt. Außerdem sollte das Stockbrot nicht direkt in die Flamme gehalten werden, sondern nur vorsichtig über die Glut und dabei regelmäßig gedreht werden, damit eine gleichmäßige Bräune entsteht. Es ist perfekt, wenn es sich einfach mit der Hand vom Stock abziehen lässt. Jetzt kann man das Stockbrot-Röhrchen bei Bedarf mit Marmelade oder anderen Leckereien füllen. 

Rezept für Stockbrot

Für 8 Portionen Stockbrot benötigt man:

  • 500 g Mehl
  • 1 Päckchen Trockenhefe
  • 2 Teelöffel Salz
  • 3 Esslöffel Öl
  • 250 ml lauwarmes Wasser
  • optional: ½ Teelöffel Zucker

Die Zubereitung:

Schritt 1:

Die trockenen Zutaten für das Stockbrot in einer Schüssel sorgfältig mischen und anschließend Wasser und Olivenöl unterrühren. 

Schritt 2:

Die Zutaten nun einige Minuten mit der Hand oder alternativ mit einem Knethaken gründlich kneten, bis eine homogene Masse entsteht.

Schritt 3:

Die Schüssel mit einem Küchentuch abdecken und für mindestens 30 Minuten gehen lassen, bis sich das Teigvolumen verdoppelt hat. 

Schritt 4: 

Den Teig in 8 Portionen unterteilen, diese dann zu einer Kugel formen, abdecken und noch einmal für einige Minuten gehen lassen. Anschließend können die Teigbälle zu Würsten geformt und um einen Ast gewickelt werden.

Schritt 5:

Den Ast mit dem Stockbrot 20-30 cm über die Glut hängen, bis das Stockbrot goldbraun geworden ist.

Wenn im heimischen Garten oder Balkon kein Feuer entfacht werden möchte, eignet sich das Rezept auch für den Backofen oder Grill. Außerdem kann das Grundrezept je nach Gusto erweitert werden – z.B. mit frischen Kräutern, Käse, Speck oder Räuchertofu. Oder wie wärs mit einer süßen Variante? Dazu einfach die Mengenangaben von Salz und Zucker tauschen und eine leckere Nussnougatcreme hinzufügen. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt!

Achtsamkeitsspaziergang

Wann und wo? 

Tagsüber, möglichst bei schönem Wetter 

Was wird benötigt?

  • nur innere Ruhe und Geduld
Achtsamkeitsspaziergang

Wie wirds gemacht? 

Von den Wildnisscouts erhielten wir die Aufgabe, uns im Wald zu verstreuen und einzeln, leise und bedacht in den Wald zu gehen. Dabei sollten wir Augen und Ohren offen halten, falls wir spannende Dinge (z.B. Teile von Tierskeletten) finden, aber gleichzeitig sollten wir dabei vergessen, dass wir auf der Suche nach etwas sind. Denn wir alle wissen: Wer bemüht suchet, der findet meist nicht. Die Aufgabe lautete sozusagen: “Denke nicht an einen rosa Elefanten” – Komplexer Anspruch, aber eine schöne Herausforderung!

Abdrücke von Tierspuren machen

Wann und wo?

Tagsüber, am besten ein paar Stunden nach einem Regenschauer

Was wird benötigt?

  • Gipspulver
  • Wasser
  • Löffel zum Umrühren
  • eine alte Zahnbürste
  • ggf. Gummihandschuhe
Tierspuren

Wie wirds gemacht? 

Etwas weiter hinten im Wald gab es eine große Lichtung mit einer Wiese und einem sandigen Hügel. Die Klasse wurde in zwei Gruppen geteilt und ging auf Spurensuche. Da es am Tag zuvor geregnet hatte, konnten wir im Sandboden tatsächlich ein paar Spuren finden. Jedes Kind sollte dafür ganz bedacht und langsam über die Sandfläche gehen und alle entdeckten Spuren mit einem kleinen Stock zunächst umkreisen und anschließend den Stock wie eine Fahne zur Markierung in den Boden stecken.  

Nach der großen Suchphase kam die Gruppe wieder zusammen. Stück für Stück gingen wir die vielversprechendsten Spuren ab und versuchten, das Tier zu bestimmen, das die Spur hinterlassen hat. Die Scouts teilten ihr Wissen dazu mit uns. 

Anschließend rührten wir den Gips an und gossen ein paar der Spuren aus. Nach einigen Minuten Wartezeit konnten die Kinder die erhärtete Form aus dem Sand nehmen und mit der Zahnbürste vorsichtig vom Sand befreien. Und schwupps hatten wir einen 3D-Abdruck von einer echten Tierspur hergestellt. Das sorgte bei den meisten Kindern für Staunen und die Abdrücke wurden wie Schätze behandelt. 

Blind geradeaus laufen

Wann und wo? 

Tagsüber, bei schönem Wetter 

Was wird benötigt?

  • eine großzügige und möglichst ebenerdige Freifläche (Wiese)
  • 2 Tücher zum Verbinden der Augen (oder Schlafmasken)
Blind laufen

Wie wirds gemacht? 

Immer zwei Kinder kamen zur Freifläche, der Rest der Gruppe wartete hinter dem Hügel, damit der Effekt der Übung nicht gleich für alle sichtbar war. Die zwei Kinder bekamen die Augen verbunden und erhielten die Aufgabe, etwa 50 Meter geradeaus zu laufen, wo ich mit einem Scout stand. Nichts leichter als das, oder?

Es stellte sich heraus: Wenn man lange genug blind geradeaus läuft, läuft man irgendwann im Kreis. Manche Kinder gerieten bereits nach den ersten paar Schritten in eine nach links oder rechts gebogene Kreisbahn, andere schafften es mit nur etwa 10 Meter Abstand zum Ziel. Ihr Radius war demnach sehr viel größer. 

Forschende am Max-Planck-Institut untersuchten dieses Phänomen: 

“Nachdem sie ihren Studienteilnehmern die Augen verbunden hatten, konnten die Probanden höchstens 20 Meter geradeaus gehen. Spätestens dann bogen sie auf eine Kreisbahn ab. Wer nichts sehen kann und dennoch losmarschiert, entfernte sich nicht weiter als 100 Meter von seinem Ausgangspunkt.” [2]

Warum das so ist? Weil unser Orientierungssinn auf die Mitwirkung anderer Sinne angewiesen ist. Um unter anderem die eigene Position im Raum bestimmen zu können, bedarf es des Sehsinns. 

Im Versuch des Max-Planck-Instituts gelang es Teilnehmenden in monotonen Umgebungen (Wüste, große Waldgebiete) sogar mit offenen Augen “nur dann einen geraden Weg einzuschlagen, wenn sie sich am Sonnenstand orientieren konnten. War die Sonne von Wolken verdeckt, begannen sie, im Kreis zu laufen.” [3]

Noch nicht genug Inspiration?

Weitere kreative und spannende Spiele für einen Tag im Wald werden im Artikel Frische Luft hilft beim Lernen und in Episode 2 von “Gedanken einer Referendarin” vorgestellt!

 


[1] Wildschule Wildniswissen

[2] „Wie sich der Orientierungssinn trainieren lässt“ Süddeutsche Zeitung

[3] „Warum wir im Kreis laufen. Erst äußere Orientierungshilfen ermöglichen geradeaus Laufen“ scinexx

Autorin: Carla

Während meines Kulturwissenschaftsstudiums fand ich meinen Weg zu phase6 und verfasse hier – unter anderem – Beiträge für das phase6 Magazin. Meine Leidenschaft für das Schreiben habe ich 2017 während meines Auslandspraktikums in Barcelona entdeckt, wo ich bereits einige Beiträge verfasst habe.