Es ist vollbracht! 18 Monate Referendariat und die zweite Staatsprüfung liegen hinter mir. Ich bin ab jetzt eine ausgebildete Lehrkraft, kaum zu glauben!

Für alle, die vom Lehramtsstudium enttäuscht sind, möchte ich verkünden: Es wird besser! Diese vergleichsweise kurze Zeit des Referendariats bietet genau den Praxisbezug, der im Studium so oft gewollt wird, aber ohne tatsächliche, regelmäßige Praxiserfahrungen gar nicht fruchtbar sein kann, selbst wenn sich Dozierende darum bemühen. Der Vorbereitungsdienst ist wie eine duale Ausbildung, in der endlich eine sinnvolle Mischung aus Theorie- und Praxiselementen praktiziert wird.

Im letzten Bericht teile ich Tipps zur zweiten Staatsprüfung (auch: “unterrichtspraktische Prüfung”) und trage alle wichtigen Erkenntnisse und Ratschläge aus allen erschienenen Episoden zusammen. Viel Spaß beim Stöbern!

Nähere Informationen zum Aufbau des Referendariats an Berliner Grundschulen befinden sich in der Übersicht.

Ablauf der unterrichtspraktischen Prüfung

Am Tag der Prüfung solltest du spätestens eine Stunde vor Beginn der ersten Prüfungsstunde in der Schule sein, um in Ruhe ankommen zu können. Dann hast du etwa eine halbe Stunde Zeit, um letzte Vorbereitungen in den Klassenräumen zu treffen (Stühle für die Prüfungskommission bereitstellen, Tische schieben, Tafelbild oder Technik vorbereiten etc.). Falls du deine ausgedruckten und unterschriebenen Prüfungsentwürfe noch nicht bei der Schulleitung abgegeben hast, solltest du das spätestens jetzt tun.

Die erste Prüfungsstunde findet meistens in der zweiten Schulstunde statt, um Verzögerungen durch später eintrudelnde Kinder zu vermeiden.

30 Minuten vor Prüfungsbeginn musst du dich bei der Prüfungskommission melden, die sich bereits im dafür reservierten Raum eingefunden hat. Hier ist Zeit für eine freundliche Begrüßung und die Gesundheitsfragen, die der Prüfungsvorsitz stellt (“Fühlen Sie sich heute gesund und dazu in der Lage, die Prüfung ordnungsgemäß abzulegen?”). Nach erfolgreicher Beantwortung wird dich niemand länger aufhalten wollen, also ab ins Klassenzimmer!

Nun bleiben dir noch etwa 20 Minuten, um dich zu erden oder bei Bedarf die Kinder auf die nächste Stunde vorzubereiten (Regeln wiederholen etc.) und letzte Absprachen mit der Klassenlehrkraft zu treffen, falls notwendig. Ziemlich pünktlich zur zweiten Stunde steht die Prüfungskommission vor der Tür und es kann losgehen. Zu Beginn der Stunde ist es schön, wenn die Prüfungskommission der Lerngruppe mit Namen und Funktion vorgestellt wird (“Das ist Frau XY, sie ist sozusagen meine Mathelehrerin…”).

Während des Unterrichts solltest du die Prüfungskommission komplett ausblenden, sofern es dir möglich ist. Im Grunde hältst du einfach eine Unterrichtsstunde, so wie jeden Tag. Du solltest für diese Prüfung nicht mehr wollen, als du im Alltag von deiner Lerngruppe und dir als Lehrperson erwartest. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan. Der aufmerksame und liebevolle Umgang mit den Lernenden ist oft schon die halbe Miete – sowohl für den Alltag als Lehrkraft als auch für die Prüfungsstunde.

Unterrichtspraktische Prüfung

Sobald die erste Prüfungsstunde vorüber ist, verabschiedet sich die Prüfungskommission für gewöhnlich schnell und wortlos. Das ist kein schlechtes Omen, sondern kann als respektvolle Distanz interpretiert werden, denn die Zeit nach der Unterrichtsstunde soll nur dir und deinen Gedanken gehören. Packe also schnell deine Sachen, nimm ausgewählte Lernprodukte der Kinder mit und begib dich in deinen vorher organisierten Ruheraum.

Im Ruheraum kannst du nun alle Gedanken zur gehaltenen Stunde notieren oder mit dem Handy aufnehmen. Iss etwas aus deiner Futterbox und gönn dir eine Minute Stille. Aber achte auf die Zeit, stelle dir vielleicht einen Wecker. Die zweite Prüfungsstunde findet meist in der Stunde nach der ersten Hofpause statt. Nimm dir etwas Zeit, um den neuen Klassenraum für die zweite Prüfungsstunde vorzubereiten und letzte Checks durchzuführen.

Dann beginnt das Spektakel noch mal von vorne. Auch hier verschwindet die Kommission blitzschnell aus dem Raum, mit dem Unterschied, dass der Prüfungsvorsitz eine feste Zeit mit dir vereinbart, wann sich alle zum abschließenden Analysegespräch treffen. Meist sind es etwa 30 bis 45 Minuten ab dem Ende der zweiten Prüfungsstunde.

Das Analysegespräch nach der Staatsprüfung

Nun ist es Zeit, alle Erkenntnisse aus beiden Stunden für das Analysegespräch geordnet aufzuschreiben. Gehe dafür wieder in den Ruheraum. Für mich hat sich eine Vorlage als sehr hilfreich erwiesen, um das Reflexionsgespräch strukturiert zu führen. Diese Vorlage zum Analysegespräch kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Mit diesen Notizen geht es wieder zur Kommission. Das Analysegespräch wird immer vom Prüfling eingeleitet. Nutze dafür deine Notizen, damit du nicht durcheinander kommst. Die Kommission wahrt währenddessen ein Pokerface. Das ist gruselig, weil das “Gespräch” dadurch nur noch wenig mit menschlicher Interaktion zu tun hat, aber davon solltest du dich nicht verunsichern lassen, das ist normal.

Staatsprüfung - das Analysegespräch

Nach jeder reflektierten Prüfungsstunde dürfen nun die Fachseminarleitungen, die Schulleitung oder der Prüfungsvorsitz Nachfragen zum Unterricht oder zum gehaltenen Analysevortrag stellen.

Ein kleiner Tipp: Je mehr (sinnvolle) didaktische Begründungen der Unterrichtsentwurf bereits enthält, desto weniger Fragen werden für gewöhnlich gestellt. Und falls doch, hat man meist schon eine gute Argumentation dafür niedergeschrieben und kann auf sie zurückgreifen.

Wurden alle Fragen der Kommission beantwortet, darfst du den Raum verlassen und nun endlich allen Druck, alle Sorgen und alle Ängste von dir schütteln. Du hast es geschafft! Das Schlimmste ist vorbei und am weiteren Verlauf kannst du ohnehin nichts mehr ändern. Jetzt muss die Kommission arbeiten und alle Notizen diskutieren und in eine Note umwandeln. In dieser Zeit ist es das Beste, an die frische Luft zu gehen, tief durchzuatmen und sich mit einer Kleinigkeit zu belohnen (einem Kaffee, etwas zu Essen oder einem Anruf – was auch immer dir guttut).

Nach einer vorher vereinbarten Zeit, musst du dich ein letztes Mal der Kommission stellen. Es gibt einen für meinen Geschmack etwas albernen Brauch, der jedem Prüfling direkt nach dem Öffnen der Tür verrät, ob die Prüfung bestanden wurde oder nicht. Wenn die gesamte Prüfungskommission steht, darfst du dich freuen – du hast bestanden! Sollte die Prüfungskommission sitzen, ist das kein gutes Zeichen.

Aber so oder so: Der Prüfungstag ist vorbei. Gönne dir eine Auszeit. Falls du bestanden hast, kannst du dich jetzt auf deutlich entspanntere und autonomere Unterrichtstage mit deinen Lerngruppen freuen. Falls du nicht bestanden hast, kannst du die Prüfung je nach Bestimmungen deines Bundeslandes wiederholen oder dich nach Alternativen umschauen, falls du gemerkt hast, dass der Job als Lehrkraft an einer staatlichen Schule nichts für dich ist.

Tipps für die Staatsprüfung

  • Organisiere dir rechtzeitig einen Ruheraum für den Prüfungstag, der nur für dich reserviert ist. Dorthin kannst du dich nach beiden Unterrichtsstunden zurückziehen und alle Gedanken für das Analysegespräch niederschreiben.
  • Schneller als das Niederschreiben ist es, eine Tonaufnahmen von den eigenen Gedanken zur gerade durchgeführten Unterrichtsstunde zu machen und sie erst nach der zweiten Prüfungsstunde abzuhören und wichtige Erkenntnisse daraus für das Analysegespräch aufzuschreiben.
  • Weiterhin solltest du mit der Schulleitung absprechen, welchen Raum du für die Prüfungskommission reservieren kannst.
  • Bereite dir ein Futterpaket vor, das dich einerseits mit gesunder Energie versorgt (Nüsse, Obst, Smoothie, Müsli) und andererseits Genussbedürfnisse stillt (Schokoriegel, Gummibärchen). Dir soll es schließlich rundum gut gehen.
  • Nutze eine Vorlage für das Analysegespräch, welche die Struktur des Gesprächs vorgibt und nach deinen Prüfungsstunden mit deinen Gedanken befüllt werden kann.
  • Nimm ausgewählte Lernprodukte der Kinder aus den Prüfungsstunden mit ins Analysegespräch (z.B. Arbeitsblätter, Plakate, Hefter). Am besten suchst du die Lernprodukte der Kinder heraus, deren Kompetenzentwicklung du im Entwurf genauer beschrieben hast. Daran können im Gespräch Problemstellen antizipiert oder Lernerfolge nachgewiesen werden.

Erkenntnisse auf dem Weg zur Professionalität

In der Hoffnung, dass meine kleinen Erkenntnisschritte womöglich irgendjemanden davor bewahren, am Ende des Referendariats sagen zu müssen “Das hätte ich gerne vorher gewusst”, gibt es nun hier eine Übersicht über alle Erkenntnisse, die sich seit Episode 1 angesammelt haben. Ich möchte betonen, dass die Ausbildungszeit weitaus mehr Erkenntnisse für mich bereithielt und in diesem Format lediglich ein kleiner Teil davon berücksichtigt werden konnte.

Erkenntnisse auf dem Weg zur Professionalität

Ich muss mich damit abfinden, zunächst von anderen abhängig zu sein.
In den ersten Wochen und Monaten ist alles fremd und die eigenen Handlungen immer von Unsicherheit geprägt. Ich habe mich oft darüber aufgeregt, dass ich für jede Kleinigkeit andere Leute fragen und ihnen teilweise wochenlang hinterher laufen muss, bis ich Antworten erhalte. Anderen Neulingen geht es genauso. Eine kurze Einführungsveranstaltung für alle Neuen hätte diesen Unsicherheiten sicher schnell entgegenwirken können, aber es ist wie immer: Nur Teil der Meckernden zu sein, macht mich zum Teil des Problems und nicht der Lösung. Solche Wünsche dürfen nicht bloß zwischen Betroffenen kommuniziert, sondern müssen an die Schulleitung weitergetragen werden, um für folgende “Generationen” etwas bewirken zu können. An meiner Schule gibt es deswegen bald ein FAQ zur Schule für alle Neuankömmlinge.
Jetzt sammle ich die Eventualitäten, auf die ich später professionell reagieren muss.
Die ersten Unterrichtsbesuche machten mir deutlich, dass ich das Referendariat als eine Art Forest Gump’sche Pralinenschachtel für die oben erwähnten Eventualitäten betrachten kann. Denn einerseits stimmt es zwar, dass man sich nicht auf alle Eventualitäten vorbereiten kann, die den Unterricht sprengen können, andererseits macht man es sich damit auch etwas zu leicht. Denn natürlich kann man potentielle Stolperstellen antizipieren, bevor die Unterrichtsstunde durchgeführt wird. Auch dann, wenn die genutzten Methoden und Sozialformen bisher immer gelangen. Und natürlich kann man sich auf diese antizipierten Stolperstellen vorbereiten und sich für den Fall der Fälle Handlungsalternativen zurechtlegen. Natürlich muss man sich davor hüten, aus diesen 45 Minuten eine unbezwingbare wissenschaftliche Arbeit zu machen, aber das Durchspielen von möglichen Horrorszenarien für die konzipierte Unterrichtsstunde ist immer hilfreich für die Praxis.
Außerschulische Aktivitäten allein stärken keine Beziehung.

Im ersten Bericht hatte ich bereits erwähnt, dass ich hinsichtlich der Beziehungsentwicklung zwischen mir und meinen Lerngruppen Bedenken habe, da ich meine Lerngruppen jeweils nur einmal in der Woche zu Gesicht bekomme und es mir so beinahe unmöglich scheint, eine wirklich starke Bindung aufzubauen. Außerschulische Aktivitäten wie Exkursionen und Klassenfahrten wirken sich für gewöhnlich immer positiv auf das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Lerngruppe aus, da sich die gesamte Gruppe in anderen Kontexten, Intensitäten und Freiheiten kennenlernen kann. Doch all diese gemeinsamen Erfahrungen können ihre positive Wirkung nicht richtig entfalten, wenn sie – wie in meinem Wochenplan – vereinzelt bleiben und zu viel Zeit zwischen den persönlichen Treffen liegt. Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, der bis zur nächsten Woche fast schon wieder verdunstet ist. Das ist schade, steigert aber meine Vorfreude auf die Zeit als Klassenlehrerin einer eigenen Klasse, die ich mehrere Tage hintereinander sehen und kennenlernen kann.

Externe Expertise ist ein großer Gewinn!
An welche Schultage der Grundschulzeit können sich die meisten Erwachsenen noch erinnern? Wahrscheinlich an die ganzen Ausflüge und Exkursionen (Museum, Theater, Kino, …) und an die Stunden, die nicht von der Lehrkraft, sondern von außerschulischen Fachkräften gehalten wurden. An meiner Grundschule waren das vor allem die Zahnärztin und der Verkehrspolizist, in der Mittelstufe schließlich eine große Gruppe amerikanischer Tanz- und Gesangstalente, die mit uns ein großes bilinguales Musical-Projekt auf die Beine stellten. Heutzutage gibt es unzählige Angebote für Projekte mit Schulklassen zu verschiedenen Themen. Zu vielen Inhalten im Bereich Sachunterricht, Gesellschafts- oder Naturwissenschaften lassen sich Expertinnen und Experten finden, die man in den Unterricht einladen kann (z.B. zum Thema Klima, Nachhaltigkeit, Ackerbau, fairer Handel etc.). Im Deutschunterricht können Projekte mit Autorinnen und Autoren von Büchern, Gedichten, Filmen oder Theaterstücken durchgeführt werden. Im Musikunterricht bieten sich Projekte zum Thema Tanz, Chor, Musical oder Orchester an. Auch wenn die Organisation im Voraus immer stressig ist, lohnt es sich für den Erkenntnisgewinn der Lerngruppe und das Klassenklima immer, Projekte außerschulischer Institutionen oder Initiativen in den eigenen Unterricht einzubinden. Externe Projekte sind letztendlich auch für die begleitende Lehrkraft eine dankbare Inspirationsquelle.
Die Unterrichtsplanung für eine 1. bis 3. Klasse ...
… sollte – wenn der Unterricht themenbasiert und gemeinsam stattfinden soll – im ersten Halbjahr vorwiegend auf soziale und kommunikative Kompetenzen ausgerichtet sein, da die nicht abgeschlossene Alphabetisierung der Ersties größere Hürden und Unzufriedenheiten bei allen Lernenden provozieren kann.
Auch der Wahnsinn gehört zur Normalität.
Vor den Ferien herrscht bei den Kids grundsätzlich viel Unruhe und es scheint so, als könne man buchstäblich der Konzentrationsfähigkeit beim allmählichen Schwinden zuschauen. Wer kennt das nicht aus der eigenen Schulzeit? Ich kann sie allesamt verstehen, die gebeutelten Freigeister. Mir geht es genauso. Am letzten Montag vor den Ferien musste ich im Gewusel der Freiarbeit kurz laut lachen, als ich daran dachte, was man wohl von mir und dieser Klasse denken würde, käme man genau jetzt in den Raum geplatzt. In Episode 3 beschreibe ich eine Momentaufnahme in der vierten Stunde: Freiarbeit in Klasse 1-3 ist angesagt und alle dürfen selbst wählen, mit was und mit wem sie wo und wie arbeiten möchten. Knapp drei viertel der Klasse entscheidet sich für die Lernspiele und Übungskarteien im Regal, die größtenteils auf Teppichen auf dem Boden bearbeitet werden. Dort auf dem Boden sitzen nun also gut 15 Kinder und breiten ihre Materialien vor sich aus, während an den großen Gruppentischen vereinzelt Kinder an ihren Heften arbeiten. Das klingt erstmal ganz normal, wenn man ein Kinderzimmer mit 24 Kindern, die alle etwas anderes spielen, normal findet (ich tue es mittlerweile…). Beim genaueren Hinsehen merke ich: Kind 1 bohrt sich mit dem – unbemerkt von frisch ausgelaufener Tinte befleckten – Finger in der Nase herum und niemand sagt ihm, dass es blaue Nasenlöcher hat, Kind 2 bemalt super konzentriert seinen Unterarm mit pinkem Filzstift, Kind 3 stapelt Tausenderwürfel aufeinander und hat keinen blassen Schimmer, wozu das Material gut sein könnte, Kind 4 muss derartig nießen, dass ein etwa 40cm langer, grün-gelber Rotzfaden aus seiner Nase richtung Spielfeld schießt, Kind 5 verteilt aus Versehen die Perlen aus der Mathe-Apotheke auf dem Boden und wird die restliche Stunde mit dem Aufsammeln der winzigen Perlen beschäftigt sein, während Kind 6 auf allen Vieren von links nach rechts an mir vorbei läuft und dabei Affengeräusche nachahmt. Und das ist nur ein Bruchteil der gesamten Lerngruppe. Aber es ist auch nur eine kleine Momentaufnahme aus vielen. Zum Glück.
Freiarbeit ist viel komplexer als ich dachte.
Wenn diese Form von Unterricht das Kernkonzept des Stundenplans darstellt, ist mit freier Arbeit ein immenser Aufwand für die Lehrkraft verbunden. Hinter allem muss ja irgendein System stecken, damit ich als Lehrkraft einerseits sicherstellen kann, dass ich die Bildungsstandards mit meinem Unterricht erfülle und die Lernenden auf ihrer jeweiligen Niveaustufe fördere und andererseits garantiere, dass ich die höchst individuellen Lernprozesse in eine konstruktive Lernberatung und letztendlich eine justiziable Leistungsbeurteilung und Förderprognose überführen kann. Und dieses System muss man sich erst mal erschaffen…
Arbeitshefte vermeiden Stress.

Meine “Prüfungseinheiten”, also die Unterrichtseinheiten, in welche meine Prüfungsstunden fallen, haben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Das Lernprodukt und Arbeitsmittel ist ein (selbst erstelltes) Arbeitsheft, welches von den Kindern nur in der Schule bzw. nur in meinen Unterrichtsstunden bearbeitet und nie mit nach Hause genommen wird. Nur so schien es mir möglich, das Zettelchaos meiner letzten Unterrichtseinheiten halbwegs zu unterbinden. Und es funktioniert wunderbar! Sätze wie “Ich hab meinen Hefter vergessen”, “Ich hab das Blatt nie bekommen” oder “Ich finde meine Sachen nicht” höre ich seitdem nicht mehr. Ich habe zudem immer einen guten Überblick darüber, wie weit jedes Kind ist und wo ich nachsteuern muss. Einen netten Nebeneffekt für die Kids hat es auch: Das Arbeitsheft und somit auch die dazugehörigen Unterrichtsstunden werden als etwas Besonderes wahrgenommen. Jedes Kind hat schon nach ein paar Wochen ein Lernprodukt, das mit eigenen Gedanken und kreativen Ideen gefüllt wurde.

Alles fängt beim Greifbaren an!
In den wenigen sinnvollen Vorlesungen meiner Unizeit habe ich eine Menge zu Lehr- und Lerntheorien gelernt und mir war immer sehr bewusst, dass bei der Aneignung von neuem Wissen und Können das physisch greifbare Handeln (enaktiv) bestenfalls vor abstrakteren Darstellungsweisen (symbolisch und ikonisch) erfolgen sollte, um ganzheitliche Verstehensprozesse in Gang zu setzen. Besonders jüngere Kinder benötigen zunächst die Erfahrung im greifbaren, dreidimensionalen Raum (z.B. mithilfe von Modellen), bevor der Transfer zu einer zweidimensionalen Abbildung stattfinden bzw. gelingen kann. Das ist so logisch und so selbstverständlich, dass es mir peinlich ist, dass ich solche elementaren Grundlagen ab und zu einfach nicht berücksichtige. Erst durch meinen Sachunterrichts-UB zum Thema “Das Geheimnis der Frühblüher” in Episode 7 hat sich diese Tatsache endlich tiefer in mein Hirn gebohrt. Denn hätte ich nicht eine echte Tulpe mit Zwiebel als Anschauungsmodell mitgebracht, hätten die Kinder große Schwierigkeiten gehabt, den zweidimensionalen Abbildungen wichtige Informationen zu entnehmen und hätten den Forscherauftrag nicht erfüllen können. Das war mir eine Lehre, auch wenn es gerade noch einmal gut gegangen ist.
Die Mühe lohnt sich (gefühlt)!
Auch wenn die vielen Stunden sich manchmal verschwendet anfühlen (und es in Ausnahmefällen auch sind, das möchte ich nicht abstreiten), glaube ich trotzdem, dass jede verworfene Idee, jeder genommene Umweg und jede mühevolle Handarbeit dabei hilft, etwas zu erschaffen, wohinter man mit ganzer Kraft stehen kann. Jeder Gedanke formt das Projekt und das Projekt formt die Gedanken neu, sobald es einmal in der Praxis angewendet wurde. Dass sich die Mühe lohnt, ist keine neue Erkenntnis, sondern eine immer wiederkehrende. Das macht sie von Tag zu Tag stärker, stabiler und unangreifbarer.
Es tut gut, gesehen zu werden.
Die spontanen, aber doch irgendwie regelmäßigen Rückmeldungen von meinem gesamten Umfeld unterstützen mich in meinem Glauben bzw. meiner Überzeugung, das “Richtige” zu tun. Und auch wenn ich gerne alles alleine schaffen möchte und mich unbeobachtet wohler fühle, ist es doch manchmal schön, wenn jemand sieht, wie viel man gibt.
Nutze die letzte(n) Ferienwoche(n) NUR für dich.
Und halte dich in dieser Zeit gänzlich von der Arbeit fern. Denn ansonsten schlürfst du völlig gerädert ins neue Schuljahr und brauchst nach den ersten Tagen schon wieder Ferien. Ich glaube, das ist eine Erkenntnis, für die ich noch sehr lange dankbar sein werde.
Nimm dich nicht zu ernst.
Dass mir der versemmelte UB in Episode 8 so nahe gehen konnte, dass ich nicht mehr in der Lage war, meine Emotionen zu kontrollieren, war erschreckend für mich. Warum hatte diese Situation so viel Power, mich für eine Weile komplett aus der Bahn zu werfen? Natürlich ist eine solche Beurteilungssituation immer als Ausnahmezustand zu werten, für den man für gewöhnlich noch keine günstigen Umgangsstrategien entwickelt hat, weil es nunmal eine Ausnahme bildet. Doch das war nicht der einzige Grund. Hier spielten ganz klar überhöhte Erwartungen an mich selbst, defizitorientierte Perspektiven auf mein Handeln und nicht zuletzt die gefühlte Belastung der letzten Wochen die Hauptrollen. Und dass diese negativen Denk- und Handlungsstrukturen überhaupt die Kontrolle übernehmen können, liegt daran, dass ich das System und meine Rolle darin viel zu ernst nehme. Das ist nie gesund auf Dauer. Vor allem dann nicht, wenn ich meinen Lerngruppen predige, dass die Schule als Lernort ein großes Probierfeld ist, auf dem Fehler als Chancen begriffen werden, jedoch für mich selbst eine gegenteilige – wenn auch häufig unbewusst genutzte – Strategie anwende. Practise what you preach.

Ratschläge und Leitsätze für alle Lehrkraft-Neulinge

Hier findest du eine Übersicht über alle Ratschläge, Mutmachsprüche und Leitsätze, die sich seit Episode 1 angesammelt haben.

Ratschläge für Neulinge

“Beim nächsten Mal mach ich es besser!”
Dieser Mutmachspruch meiner Seminarleitung klingt profan, kann aber tatsächlich etwas Ruhe in den gestressten und von perfektionistischen Antrieben durchzogenen Organismus bringen. Der altbekannte Rat zum “Mut zur Lücke” wird mich wahrscheinlich bis zur Rente als Mantra begleiten, aber ich bin zuversichtlich, dass ich schon bald besser mit solchen Lücken umgehen kann.
“Plane Termine langfristig!”
Haha… Wie oft habe ich das schon versucht. Gutes Zeitmanagement ist der Kern eines jeden Alltags, völlig egal, in welcher Branche du dich befindest. Und schlechtes Zeitmanagement, welches auf Spontanität und Flexibilität basiert, fällt dir irgendwann immer auf die Füße. Die Frage ist nun aber, wie man sich ein gesundes Zeitmanagement praktisch aneignen kann… Der Kauf eines Jahresplaners scheint zumindest in meinem Kollegium ganz weit oben zu stehen, um dieses hehre Ziel zu erreichen. Also habe ich mir auch einen zugelegt, frei nach dem Motto: always do what the locals do. Bisher hat mir das ehrlich gesagt recht wenig gebracht, da mein Handy als Terminkalender einfach praktischer ist und ich ohnehin alles doppelt eintragen muss, wenn ich es zusätzlich manuell in einen Jahresplaner transferiere. Dieses doppelte Eintragen hatte bisher allerdings den schönen Nebeneffekt, dass sich die Termine besser einprägen (und somit eigentlich beide Medien obsolet werden, ähnlich wie bei einem Spickzettel). Nichtsdestotrotz ein wertvoller Ratschlag!
“Arbeite ausschließlich mit positiver Verstärkung!”

Strafen haben keinen Effekt. Strafen sind out. Diesen Grundsatz und auch all die guten Gründe und wissenschaftlichen Beweise für diese These lernte ich im Studium. Die Umsetzbarkeit hängt nach meiner kurzen Erfahrung leider oft von der Lerngruppe und dem jeweiligen sozialen Umfeld ab und ist sehr viel komplexer, als ich es je vermutet hätte. Eine dazu passende Starthilfe, die mir meine Seminarleitung mit auf den Weg gegeben hat, möchte ich ebenfalls weitergeben: Um in neuen Lerngruppen schnell die sozial herausfordernden Kids zu identifizieren und hellhöriger für meinen Unterricht zu machen, kann ich als Lehrkraft einfach einen leichten Arbeitsauftrag geben (z.B. ein bestimmtes Material herauszuholen) und abwarten. Einige Kinder machen nichts? Dann hilft es sehr, die aktiven Kinder zu loben und wieder abzuwarten. Die letzten Kinder, die nichtstuend auf ihrem Platz sitzen bleiben, haben es in den nächsten Wochen höchstwahrscheinlich auf das Testen meiner Grenzen abgesehen. Genau diese Kinder gilt es, in der Kennenlernphase besonders häufig zu loben bzw. ihr erwünschtes Verhalten positiv zu verstärken. “Zur Not loben Sie eben den bunten Pullover, den das Kind gerade trägt. Es gibt immer etwas, über das man sich positiv äußern kann!”, empfahl meine Seminarleitung mit einem Lächeln. Meine bisherigen Erfahrungswerte mit diesem Tipp sind recht positiv, obwohl ich meine Lerngruppen nur ein bis zwei Tage pro Woche sehe!

“Du bist der Kuchen, nicht der Krümel!"

Man sollte meinen, dass sich Lehrkräfte dessen bewusst sind im Bezug auf die Autorität in ihrer Lerngruppe. Aber für mich scheint das im Umgang mit sehr herausfordernden Schülerinnen und Schülern noch eine wackelige Basis darzustellen. In einer meiner Bezugsklassen bringt mich ein Schüler regelmäßig an meine Grenzen mit seinem respektlosen Verhalten mir und anderen Kindern gegenüber. Kontinuierliches Stören anderer Kinder und des Unterrichts, strikte Arbeitsverweigerung und provokante Diskussionen stehen auf der Tagesordnung. Ich würde mich selbst als geduldigen Menschen bezeichnen, aber dieser Schüler springt wie ein übermütiger Seiltanzakrobat auf meinem Geduldsfaden herum und lässt ihn mit Vergnügen nach oben schnalzen. Irgendwann machte es “PENG!” und er war gerissen. Ich wusste, was zunächst zu tun war: tief ein- und ausatmen und innerlich langsam bis drei zählen. So. Der nächste Schritt bestand darin, die Lehrkraft der Nachbarklasse zu bitten, den Schüler für den Rest der Stunde bei sich aufzunehmen. Sie wusste sofort, um wen es geht, nickte beruhigend und sagte, sie habe schon den richtigen Platz und eine Aufgabe für ihn. Sehr gut. Also wieder zurück ins Klassenzimmer. “Pack bitte deine Sachen zusammen und gehe in die Nachbarklasse, du wirst dort erwartet”, sagte ich mit ernstem Blick und Ton. “Nö”, war seine pointierte Antwort. Gut, das hätte ich erwarten können. Dann versuchte ich es mit Elternpädagogik: “Ich sage es jetzt ein letztes Mal …” Und natürlich wiederholte daraufhin auch er seine Antwort – “Nö”. Es waren nicht die Worte, es war der Blick, mit dem er es sagte, der mich zwischen Machtlosigkeit und Zorn schwanken ließ. Glücklicherweise war die Klassenlehrerin an dem Tag zu früh erschienen und in einem Nebenzimmer ansprechbar. Ich holte sie und musste nicht viel sagen. Ihre Ansage war nach einigen lauten Diskussionsversuchen seinerseits schließlich wirksam und es war wieder Ruhe eingekehrt. In der großen Pause gab es ein Krisengespräch zwischen uns und der Klassenlehrerin. Sie übernahm dankenswerterweise das Reden – vielleicht, weil sie gesehen hat, wie aufgewühlt ich war. In diesem Gespräch verdeutlichte sie dem Schüler (nicht das erste Mal) die sozialen Hierarchien in der Klassengemeinschaft bzw. das Verhältnis zwischen “Kuchen” und “Krümel”. Das klang zuerst recht hart für mich, weil sowohl die Klassenlehrerin als auch ich uns für ein Verhältnis auf “Augenhöhe” einsetzen. Allerdings ist es eine notwendige Rahmenbedingung für jede zweckbedingte Gemeinschaft, dass die Rechte und Pflichten von Gruppenleitenden stellenweise über die der Gruppenteilnehmenden hinausgehen (Stichwort: Autorität).

"Visualisiere den Stundenverlauf."

Dass es sinnvoll ist, den Ablauf der Unterrichtsstunde an der Tafel (oder am SMART-Board) zu visualisieren, um der Lerngruppe eine gewisse Orientierung zu geben, war mir bereits bewusst. Aber so richtig damit gearbeitet habe ich trotzdem nie. Das hat sich nun geändert. Für die Freiarbeit habe ich Symbolkarten gezeichnet, die ich immer zu Beginn einer Freiarbeitsstunde gemeinsam mit den Kindern durchgehe. Tatsächlich sind diese Stunden dadurch nicht nur besser strukturiert (auch für mich), sondern sorgen auch dafür, dass die Kids die Lernzeit besser nutzen und sich zügiger selbst organisieren. Ein großer Zugewinn!

"Habe IMMER Alternativen parat."

Schon bei der Unterrichtsplanung sollte man den Supergau für das eigene Vorhaben durchdenken und konkrete alternative Handlungsweisen definieren (und ggf. Material dafür vorbereiten, falls notwendig), um flexibel auf Änderungen reagieren zu können.

"Reduziere dein Material auf den konkreten Standard der Stunde."

Das Lernmaterial sollte exakt die Kompetenz trainieren, die im Unterrichtsentwurf zur Stunde definiert wurde. Um nicht zu überfordern, sollte der Stundenkern deswegen besonders bei jüngeren Lerngruppen an einfachen Beispielen erprobt werden, bevor die Lernenden mit Arbeitsblättern voller Übungen zum Thema konfrontiert werden.

"Versuche, in eigenen Bereichen zu arbeiten."

Im normalen Vorbereitungsdienst hat man relativ wenige Präsenzstunden und übernimmt nur Teilbereiche des normalen Stundenplans. Das heißt, man arbeitet mit einer oder mehreren anderen Lehrkräften zusammen und muss sich für die einzelnen Fächer inhaltlich abstimmen. Das kann zu einer Last werden, wenn man darauf angewiesen ist, regelmäßig bestimmte Informationen vom Gegenüber zu erhalten. Die Planung von Unterricht kann dadurch erschwert werden. Besser ist es, wenn beide Parteien vorher abgestimmt haben, für welchen Bereich sie verantwortlich sind. Beispiel: In meiner Mathe-Lerngruppe erteile ich wöchentlich nur zwei Mathestunden, welche zur Zeit für den Themenbereich Geometrie genutzt werden. Der Rest wird von der Klassenlehrkraft erteilt, wobei hier andere Inhalte aus anderen Themenbereichen bearbeitet werden. So bin ich in meinen Planungen nicht auf regelmäßige Neuigkeiten seitens der Klassenlehrkraft angewiesen und kann freier und spontaner agieren. Natürlich muss man dazu das Glück haben, kooperative Kolleginnen und Kollegen an seiner Seite zu haben, die einem diesen Freiraum auch gewähren. Ich habe dieses Glück zufällig.

"Verschaffe dir Zugang zu Bibliotheken."

Nicht nur, um Fachliteratur zu recherchieren, ist es sinnvoll, sich Bibliotheksausweise (z.B. als Gast in den Universitätsbibliotheken) zu besorgen. Für Unterrichtsentwürfe und die eigene Weiterbildung müssen ab und zu wissenschaftliche Quellen herangezogen werden, die sich in öffentlichen Bibliotheken oder Online-Katalogen finden lassen. Für angehende Lehrkräfte in Berlin lohnt sich der Zugang zu Online-Medienforen, um durch Fachliteratur, Unterrichtsentwürfe, Unterrichtsmaterial, Lehrwerke oder digitales Lernmaterial zu stöbern.

Lass dich von Expertinnen und Experten inspirieren!
Wer noch keine Erfahrungen mit Freiarbeit gesammelt hat und das Konzept in seinen Unterricht integrieren möchte oder an einer entsprechenden Schule gelandet ist, sollte sich von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen Rat einholen. Da es kein Patentrezept für Freiarbeit oder guten Unterricht gibt und am Ende doch alle ihr eigenes Süppchen kochen, sollte es für angehende Lehrkräfte selbstverständlich sein, dass sie erfahrene Lehrkräfte mit ihren Fragen löchern und mit ihrem Bedürfnis nach Orientierung plagen. ​
NO GO Nr. 1 - Lehrer-Echo

Das Wiederholen von Antworten der Lernenden ist eine Sache, die sich sehr schnell einschleicht und manchmal gar nicht so leicht zu verlernen ist. Situationsadäquate Zurückhaltung lautet das Stichwort der Stunde. Keine Wiederholungen, keine Monologe und auch Vorlesen lassen des Arbeitsauftrags! Das “Lehrer-Echo” ist eine Art Reflex mit guter Intention (z.B. um korrekte Antworten hervorzuheben oder lauter zu wiederholen, damit alle es verstehen können), allerdings ist die Wirkung eines solchen Echos weit weniger positiv. Denn regelmäßig angewendet, kann es zum einen diejenigen bestätigen, die gerade nicht aufgepasst haben, da die Antworten ohnehin laut wiederholt werden. Und zum anderen können interessierte und aufmerksame Lernende dadurch das Gefühl entwickeln, dass ihre eigenen Antworten nicht richtig wertgeschätzt werden und erst durch die Wiederholung der Lehrkraft an Relevanz gewinnen. Das stellt die Lehrperson über die Lernenden, was einem Agieren auf Augenhöhe unsanft entgegenwirkt und zudem schnell für Demotivation bei der Lerngruppe sorgen kann. Es entbindet die Lernenden weiterhin ungewollt von ihrer Pflicht, den anderen zuzuhören, weil die Lehrkraft ohnehin alles wiederholt und zudem kann sich schnell das Gefühl einstellen, dass eine Antwort erst Relevanz besitzt, sobald sie von eine Lehrkraft ausgesprochen wurde. Keine gute Message.

NO GO Nr. 2 - Monologe

Niemand braucht Monologe im Unterricht, schon gar nicht von der Lehrkraft. Es geschieht schneller als man denkt, dass man als Lehrkraft einen Großteil der Sprechzeit der Stunde einnimmt. Der Sprechanteil muss also auf die Lernenden umgelenkt werden und das klingt einfacher, als es ist. Es hilft enorm, sich Routinen zu schaffen, in welchen die Kinder tagesstrukturierende Aufgaben übernehmen (Moderation des Tagesablaufs, von Konfliktgesprächen etc.). Außerdem empfiehlt es sich, für alle wiederkehrenden Abläufe (z.B. bestimmte Arbeitsmethoden) Symbole zu etablieren, sodass für die Erklärung der Vorgehensweise irgendwann keine Worte mehr verloren werden müssen.

NO GO Nr. 3 - Alles selber machen
Im Schulalltag rutscht man ganz schnell in eine Haltung, die so ähnlich klingt wie “Ach, ich machs einfach selbst, dann weiß ich wenigstens, was ich habe”. Und das wiederum klingt ein wenig verbittert. Zudem ist es auf Dauer ziemlich belastend, alles selbst machen zu wollen. Also lautet das neue Credo: Delegieren, delegieren, delegieren. Gib Verantwortung an die Kids ab, wo es nur geht. Meine allgemeine Seminarleitung sagt dazu: “Ein schlauer Lehrer erzieht sich fleißige Schüler”. Und da hat sie im Großen und Ganzen recht, denn die damit einhergehende Förderung des Verantwortungsbewusstseins ist nicht zu unterschätzen für die persönliche und soziale Entwicklung der Kinder. Für den Unterricht bedeutet das vor allem, die vorhandenen Klassendienste ausweiten und beispielsweise Verantwortliche für die An- und Abwesenheitslisten, für das Datum und den Stundenplan sowie für das Einsammeln und Erinnern an Elternbriefe festzulegen.
NO GO Nr. 4 - Methoden-Monotonie
Unter Berücksichtigung der kindlichen Aufmerksamkeitsspanne sollte in jeder Unterrichtsstunde alle 10-15 Minuten ein Wechsel der Methoden eingeplant werden. Damit ist nicht gemeint, dass die Lernenden ihr Lernmedium komplett wechseln sollen, sondern beispielsweise, dass sie in verschiedenen Sozialformen agieren und dabei unterschiedliche Kompetenzen angesprochen werden (z.B. vom Plenum in die Einzelarbeit, von dort aus in die Gruppenarbeit und abschließend zurück ins Plenum >> Think-Pair-Share).
NO GO Nr. 5 - W-Fragen
Wer W-Fragen stellt, bekommt langweilige Antworten. Fragen, die mit “wie”, “warum” oder “was” beginnen, schränken die möglichen Antworten der Lernenden häufig bereits extrem ein und fallen damit in die Kategorie “Sag das, was ich hören will”. Durch diese implizite Lenkung verbauen W-Fragen wichtige kreative Denkprozesse bei den Lernenden. Stattdessen gilt es, Impulse zu geben, beispielsweise durch irritierende oder widersprüchliche Aussagen, durch Bildmaterial, das zum Sprechen anregt und durch die Nutzung offener Operatoren wie “Äußere dich dazu”.
NO GO Nr. 6 - Fehler rot markieren

Bei der Korrektur von Texten haben wir ganz schnell den Rotstift zur Hand. Das ist allerdings nicht besonders förderlich im Sinne einer positiven Fehlerkultur. Der eigentliche Fokus sollte nicht darauf liegen, was das Kind nicht kann, sondern darauf, was es kann. Dass dieser Ansatz bei einem Diktat, bei welchem es darum geht, Wörter richtig zu schreiben, eher nach einem Witz klingt, ist mir klar. Dennoch gibt es gute Alternativen, Fehlerstellen aufzuzeigen, ohne diese bedrohlich hervorzuheben. Zum Beispiel nutzt man einen grünen Stift und hebt besonders gelungene Bereiche mit einer kleinen Notiz oder Smileys hervor. Bei Rechtschreibfehlern schreibt man die richtige Schreibweise in grün unter die fehlerhafte Schreibung, anstelle den Fehler zu unterstreichen. Das sieht nicht nur netter aus, sondern spiegelt dem Kind den konkreten Unterschied zwischen beiden Schreibweisen wider und gibt ihm eine faire Basis, das Wort in einer anschließenden Korrektur richtig zu schreiben. Weiterhin soll das Kind dadurch motiviert werden, die Fehlerstelle anhand des Vergleichs der Schreibweisen selbstständig zu entdecken und zu korrigieren. Diese Fehleranalyse sollte besonders bei jüngeren Kindern von der Lehrkraft angeleitet werden, indem beispielsweise gemeinsam Stolperstellen in fehlerhaften Wörtern gesucht und markiert werden und Rechtschreibstrategien angewendet und vertieft werden.

NO GO Nr. 7 - Einfach nur beobachten
Das ist nie eine gute Idee, da am Ende dieser Beobachtung oft keine wertvollen Rückschlüsse für bestimmte Kernbereiche abgeleitet werden können und die Beobachtung somit ins Leere ging. Stattdessen sollte man sich gezielte Schwerpunkte auswählen, die beobachtet werden (z.B. Kooperationsfähigkeit in Gruppenarbeiten, Einhaltung der Gesprächsregeln oder Fähigkeit zum eigenständigen Arbeiten) und dazu ein paar kompetenzorientierte Kriterien formulieren. So werden Beobachtungen konkreter, objektiver und sind beispielsweise für ein Lernentwicklungsgespräch als Bewertungsgrundlage verwendbar.
NO GO Nr. 8 - Arbeitsauftrag laut vorlesen lassen
Damit auch wirklich kein Kind sagen kann, es wisse nicht, was es machen solle, liest häufig ein freiwilliges Kind den Arbeitsauftrag laut für alle vor und anschließend können Fragen geklärt werden. Das laute Vorlesen ist jedoch nicht zielführend, weil dadurch nicht das sinnerfassende Lesen gefördert wird (Inhalt), sondern das laute Vorlesen an sich (Performanz). Das Kind, das vorliest, weiß meist danach nicht, was es gelesen hat, weil es sich auf das fehlerfreie Vorlesen konzentrieren musste. Das kennen wahrscheinlich alle aus ihrer eigenen Schulzeit. Und diejenigen, die nicht lesen, aber zuhören müssen, hören meist nicht auf den Inhalt des Gelesenen, sondern auf die Art und Weise, wie es gelesen wurde und können den Inhalt demnach ebenfalls oft nicht wiedergeben. Also was tun? Die Lösung ist einfacher als gedacht: Jedes Kind liest den Arbeitsauftrag leise für sich und danach können Fragen geklärt werden. Dazu ist es in höheren Jahrgängen nicht notwendig, dass der Auftrag nochmal laut in eigenen Worten wiederholt wird, allerdings ist das für jüngere Jahrgänge ein guter Einstieg in das eigenständige Verstehen und Erarbeiten von Arbeitsaufträgen. Ziel ist unter anderem die Förderung des Bewusstseins, dass jedes Kind für seinen eigenen Lernprozess verantwortlich ist. Zur Sicherstellung des Verständnisses sollte die Lehrkraft nicht fragen: “Gibt es noch Fragen zur Aufgabe?”, sondern stattdessen konkrete, auf die Aufgabe zugeschnittene Fragen stellen (z.B.: “Was musst du machen, wenn du Aufgabe 1a) bearbeitet hast?”), um Verständnisprobleme sichtbar zu machen.

Ordnung im Klassenzimmer Nr. 1 - 10-Schnipsel-Regel
Nachdem gebastelt und geschnitten wurde, sieht der Boden oft aus wie ein Schlachtfeld. In manchen Räumen lassen sich die Schnipsel restlos mit einem Besen zusammenkehren, in anderen Räumen kommt der Besen nicht überall hin und in wieder anderen Räumen ist Teppichboden verlegt. Hier kommt die 10-Schnipsel-Regel zum Einsatz: Jedes Kind sammelt mindestens 10 Schnipsel vom Boden auf, zeigt sie der Lehrkraft und wirft sie in den Papiermüll. Bei größeren Bastelorgien kann die Schnipselanzahl einfach erhöht werden, damit es auch wirklich sauber wird. Das funktioniert erstaunlich gut und weckt sogar in mir die Motivation, möglichst schnell die gesuchte Anzahl an Schnipseln zu sammeln – klingt lächerlich, ist aber tatsächlich so wirksam.

Ordnung im Klassenzimmer Nr. 2 - Minuten-Wettbewerb

In den letzten Minuten des Tages wird der Klassenraum für gewöhnlich von den SuS aufgeräumt. Die Lernenden räumen ihren Platz auf, packen ihre Materialien zurück ins Regal, in den Stehordner oder in ihren Rucksack, stellen die Stühle hoch, fegen den Boden etc.. Das Prozedere kann ganz schnell ungeahnte Ausmaße annehmen, da die Lernenden kaum Motivation erhalten, sich zu beeilen und stattdessen lieber Quatsch machen. Um weniger Unterrichtszeit mit Aufräumen zu verschwenden, kann die Lehrkraft den Minuten-Wettbewerb ins Leben rufen. Dafür kündigt sie die Aufräumphase für alle hörbar an und lässt die Stoppuhr laufen. Ziel der Kinder ist es, so schnell und so sorgfältig wie möglich aufzuräumen und ihre Zeit bei jedem Mal neu zu unterbieten. Meine kleinere Lerngruppe hat es dadurch von etwa 7 Minuten auf 2 Minuten für den gesamten Aufräumprozess geschafft und war immer höchst motiviert und konzentriert mit Aufräumen beschäftigt. Natürlich können sich die Kids nicht immer unterbieten, weil gerade das Freiarbeitsmaterial oft viel Zeit braucht, um wieder ordentlich eingeräumt und verstaut zu werden. Dennoch bleibt der Reiz des Wettbewerbs über längere Zeit bestehen und irgendwann braucht man den Timer vielleicht gar nicht mehr. Geholfen haben zudem eine Checkliste an der Tafel (Was muss alles gemacht werden, bevor die Klasse den Raum verlassen darf?) sowie ein strenges Auge der Lehrkraft, wenn manche Dinge von der Checkliste zwar schnell, aber nicht ordentlich erledigt wurden (diese Dinge mussten dann nachgebessert werden, bevor alle den Raum verlassen durften).

Ordnung im Klassenzimmer Nr. 3 - Dienste verteilen
Das ist wohl die gängigste Methode, den Klassenraum in einer Grundschule sauber zu halten. Im regelmäßigen Wechsel erhält ein kleiner Teil der Lerngruppe Verantwortungen für eine bestimmte Tätigkeit zur Sauberhaltung des Klassenraums. Im Sinne der Förderung der Selbstverantwortung halte ich es für sinnvoll, wenn zuvor jedes einzelne Kind seinen eigenen Arbeitsplatz säubert, seine benutzten Materialien ordentlich verstaut und seinen Stuhl hochstellt. Den Rest, also Fegen, Tafel wischen, Fenster schließen, Bücherregal sortieren etc., wird von den Kindern mit Aufräumdienst erledigt.
Ruhe im Klassenzimmer Nr. 1 - “Hände hoch!”

Beim ersten Tonsignal (z.B. ein Gong) soll die Lerngruppe insgesamt leiser werden. Jedes Kind soll merken, dass das Ruhesignal angeklungen ist und entsprechend seine Gespräche einstellen oder sich an den Flüsterton erinnern. Falls das nicht funktioniert, ertönt das Signal ein zweites Mal. Nun muss jedes Kind alles loslassen, was es in den Händen hält und sie weit nach oben strecken. Alle Münder müssen dann geschlossen und alle Augenpaare auf die Lehrkraft gerichtet sein. Die Position wird so lange gehalten, bis ausnahmslos alle Kinder mitmachen und völlige Stille im Raum herrscht. Je nach Zweck dieser Übung kann die Lehrkraft nun entweder eine wichtige Ansage machen oder die Lerngruppe zum Einhalten der Arbeitslautstärke auffordern. Besser ist es, wenn die Lerngruppe zur Eigenverantwortlichkeit angehalten werden. In dem Fall kann die Lehrkraft fragen, warum das Ruhesignal ertönt ist und die Lernenden können eigenständig erklären, welche Regeln sie missachtet haben und was sie tun können, damit das nicht mehr passiert. Denn je öfter die gesamte Klasse die Hände nach oben streckt, sich umdreht und abwarten muss, desto genervter ist die Lerngruppe davon. Das ist für gewöhnlich ein guter Katalysator für Verhaltensänderungen, auch wenn es in der anfänglichen Unterrichtspraxis unfassbar anstrengend ist.

Ruhe im Klassenzimmer Nr. 2 - Dezibel-Messgeräte

Es gibt sie in Form von Lärm-Ampeln oder Apps mit einem Lautstärkesensor und sie sind ein weiteres Mittel, um Kinder an eine angemessene Arbeitslautstärke zu gewöhnen. Apps wie „Classroomscreen“ oder „Bouncy Balls“ bieten ein solches Tool, das die Umgebungslautstärke im Klassenzimmer misst und beim überschreiten einer (individuell einstellbaren) Dezibelgrenze ein bestimmtes Signal ertönen lässt, auf das die Lerngruppe reagiert. Allerdings bieten solche Funktionen natürlich gefundenes Fressen für viele Kinder, denn es ist einfach zu attraktiv, die Grenzen dieser Tools mit absichtlichen Geräuschen auszuloten und damit zu spielen. Logisch, so ging es mir ja auch bei der ersten Nutzung. Also was tun? Es erscheint fair, der Lerngruppe eine kurze, vorher vereinbarte Zeit zum freien Explorieren mit dem Tool zu geben, ohne Regeln und Konsequenzen. Nach dieser Phase müssen allerdings Regeln vereinbart werden. Was passiert, wenn einzelne Kinder die Ruhe absichtlich stören? Was passiert, wenn die ganze Klasse mehrmals die Dezibelgrenze überschreitet? Ab wann gibt es welche Konsequenz?

Ruhe im Klassenzimmer Nr. 3 - Die Katze im Klassenraum

Diese Methode nenne ich so, weil ich sie genauso bei einer Hospitation an einer anderen Berliner Grundschule gesehen habe. Während der Freiarbeitsstunde stellte die Lehrkraft einen Korb mit einer lebensgroßen Plüschkatze in die Mitte des Raums. Sie legte einen kleinen Schalter an der unteren Seite des Stofftiers um und die Katze gab ein leises “Miau” von sich. Das Geräusch der Katze ertönt in alle paar Minuten und ist nur hörbar, wenn es im Raum ruhig ist und fungiert als regelmäßige Erinnerung an die Arbeitslautstärke. Jetzt hat natürlich nicht jeder eine mauzende Stoffkatze parat, also müssen Alternativen her. Zum Beispiel könnte die Lehrkraft in unregelmäßigen Abständen ein bestimmtes Geräusch vom eigenen Handy abspielen. So lässt sich die Lautstärke exakt einstellen und sogar bestimmen, was als Signal ertönt. Ich habe es selbst noch nicht ausprobiert, aber wenn, dann würde ich so machen: Ich nehme kurze Ansagen mit dem Voicerecorder auf meinem Handy auf und spiele sie während einer lauter werdenden Arbeitsphase ab. Dann ertönen zum Beispiel Sätze wie “Stehe auf und greife dir an die Nase” oder “Telefoniere mit deinem Fuß”. Nur die Kinder, die die leise Nachricht gehört haben, können die Aufforderung auch umsetzen. So wird sofort sichtbar, in welchen Ecken des Raumes es zu unruhig ist und die Kinder, die das Signal nicht gehört haben, werden auf eine spielerische Art und Weise darauf aufmerksam gemacht. Das könnte die Motivation steigern, das Signal beim nächsten Mal auch direkt beim ersten Mal zu hören und folglich leiser zu arbeiten.

Autorin: Carla

Für etwa drei Jahre schrieb ich Artikel für das phase6 Magazin und das Lehrkräfte Magazin. Mit besonderer Vorliebe widmete ich mich dabei spannenden Themen der pädagogischen Psychologie in Theorie und Praxis. Während meines Referendariats an einer Berliner Grundschule schrieb ich Erfahrungsberichte und gab einen Einblick in meinen Schul- und Ausbildungsalltag. Mittlerweile befinde ich mich in der turbulenten Berufseinstiegsphase und darf eine jahrgangsgemischte Lerngruppe an einer montessori-orientierten Grundschule in Berlin unterrichten.